Von Monika Sax und Mathias Tertilt
- Keine absolute Zahl für das Ausmaß des Insektensterbens
- Dennoch zahlreiche Belege durch Studien
- Die wichtigsten Ursachen sind bekannt
Es gibt keine absolute Zahl fürs Insektensterben. Noch fehlen flächendeckende Bestandszahlen, systematische Forschungsreihen oder ein Langzeitmonitoring. Dennoch weisen zahlreiche Untersuchungen auf einen starken Insektenrückgang hin.
Bald nicht mehr zu sehen? Schwebfliege und Mohrenfalter
In Deutschland hat der Entomologische Verein Krefeld zwischen 1989 und 2014 an insgesamt 88 Standorten in Nordrhein-Westfalen fliegende Insekten gesammelt, ihre Arten bestimmt und sie gewogen. An zwei der untersuchten Standorte stellten sie einen Rückgang von bis zu 80 Prozent der Insektenmasse fest. Betroffen sind vor allem sind Schmetterlinge, Bienen und Schwebfliegen.
Diese Zahlen lassen sich zwar nicht auf Deutschland verallgemeinern, es gibt jedoch auch andere Untersuchungen, die einen massiven Insektenrückgang belegen. Der Agrar-Report 2017 des Bundesamtes für Naturschutz bestätigt, dass der Gesamtbestand der Insekten in Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten deutlich abgenommen hat.
Bestand der Ameisen besonders betroffen
Die Rote Liste der Wildbienen belegt beispielsweise, dass von den etwa 560 Wildbienenarten inzwischen 41 Prozent als bestandsgefährdet einzustufen sind. Besonders dramatisch stellt sich die Situation bei den Ameisen dar. Bei 92 Prozent der Ameisenarten hat sich der Bestand in den letzten 25 Jahren verringert, so das Bundesamt für Naturschutz.
Ameisen sind besonders bedroht
Insgesamt gelten laut „Roter Liste“ in Deutschland 45 Prozent der Wirbellosen, zu denen die Insekten zählen als gefährdet. Das globale Insektensterben hat Anfang 2016 eine internationale Studie des Weltrats für Biodiversität bestätigt. In manchen Regionen sind bis zu 40 Prozent der Fluginsekten vom Aussterben bedroht.
Welche Rolle spielt die Landwirtschaft?
Die konventionelle Landwirtschaft trägt aus verschiedenen Gründen zum Insektensterben bei.
Durch die Überdüngung der Landschaft gehen artenreiche Ökosysteme verloren. Die Hälfte aller auf der „Roten Liste“ stehenden Pflanzenarten ist laut einer Studie des Umweltbundesamtes wegen zu viel Stickstoff bedroht. Pflanzen und Gräser, die Stickstoff gut vertragen wuchern und verdrängen die für Insekten wichtigen Futterpflanzen.
Dazu kommt der Einsatz von Pestiziden. Diese treffen oft nicht nur die Schädlinge, sondern auch alle anderen Insekten.
Besonders in der Kritik sind die Neonicotinoide (NNI). Die hochwirksamen Insekten-Nervengifte werden seit Mitte der 1990er Jahre in der Landwirtschaft eingesetzt. Mit ihnen wird das Saatgut behandelt. Beim Wachsen verteilt sich das Gift bis in Pollen und Nektar.
Insektizide mindern die Fruchtbarkeit der Bienen
Insektizide locken Bienen sogar an
Inzwischen gibt es einige Studien, die negative Auswirkungen der Neonicotinoide auf Bienen belegen. So berichteten Schweizer Forscher 2016 im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B„, dass bestimmte Neonicotinoide die Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen verringern und deren Lebensspanne senken. Eine in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte andere Studie ergab, dass Bienen mit den Insektiziden behandelte Pflanzen nicht meiden, sondern sogar bevorzugt ansteuern.
Eine Untersuchung von dem Neurobiologen Randolf Menzel der FU Berlin zeigt, dass NNI das Gedächtnis von Bienen beeinflussen. Zwei aktuelle Studien aus Großbritannien bestätigen den schädlichen Einfluss von NNI. An der Studie aus Großbritannien werden methodische Schwächen kritisiert, die gemessenen Parameter seien sehr grob. Dennoch zeigt die Studie klare Effekte auf die Überwinterungsfähigkeit von Bienen.
Monokulturen tragen zum Insektensterben bei
Auch der Anbau von Monokulturen trägt zum Insektensterben bei. In Agrarlandschaften ohne Kräuter, Blühpflanzen, Hecken und Randstreifen auf den Feldern finden Insekten kaum Nahrung und Lebensraum.
Welche weiteren Gründe gibt es für das Insektensterben?
Der Klimawandel führt unter anderem dazu, dass viele Pflanzen früher blühen. Der frühere Blühzeitpunkt bringt den Rhythmus mancher Insekten durcheinander. So steuert zum Beispiel bei Schmetterlingen die Tageslichtlänge, wann sie aus der Winterpause erwachen. Wenn dann ihre Futterpflanzen bereits abgeblüht sind, finden sie keine Nahrung mehr.
Andere Insekten werden vom Klimawandel profitieren und sich stark vermehren. Durch die milden Winter überleben mehr Parasiten und machen auch den Insekten zu schaffen. In den letzten Jahrzehnten wurden immer mehr Flächen in Deutschland für neue Siedlungen, Verkehr und Gewerbe versiegelt.
Versiegelte Flächen: verlorener Lebensraum für Insekten
Im Jahr 2014 waren es 69 Hektar Versiegelung pro Tag. Das ist verlorener Lebensraum für Insekten. Auch Invasive Arten bedrohen die heimische Insektenwelt: So macht beispielsweise der Asiatische Marienkäfer unserem heimischen Marienkäfer Konkurrenz.
Hinweis: In einer früheren Version hieß es zu den Ameisen: „Bei ihnen hat sich der Bestand in den letzten 25 Jahren um fast 92 Prozent der Arten verringert, so das Bundesamt für Naturschutz.“ Das ist falsch. Richtig ist: Bei 92 Prozent der Ameisenarten hat sich der Bestand in den letzten 25 Jahren verringert. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Stand: 20.07.2017, 10:30
Quelle: http://www1.wdr.de/wissen/natur/faktencheck-insektensterben-100.html