Langzeitstudie: Zahl der Insekten in Deutschland sinkt deutlich

Es gibt ein massives Insektensterben in einigen Teilen Deutschlands. Daran lässt eine aktuelle Studie kaum mehr Zweifel. Über das genaue Ausmaß sind sich Forscher allerdings uneinig.

 
Deutschland: Das Sterben der Insekten
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Die Zahl der Fluginsekten ist in Teilen Deutschlands erheblich zurückgegangen. In den vergangenen 27 Jahren nahm die Gesamtmasse um mehr als 75 Prozent ab, berichten Wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden im Fachmagazin „Plos One“. Die Analyse bestätigt erste, im Sommer vorgestellte Ergebnisse, hat allerdings methodische Schwächen. 

Die Publikation liefere den Beleg, dass der Schwund nicht nur einzelne Standorte betrifft, sondern „wirklich ein größerflächiges Problem“ ist, sagt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle, der nicht an der Untersuchung beteiligt war.

Fachleute vermuten schon lange, dass die Zahl der Insekten in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen ist. Verlässliche Daten sind allerdings rar. So bestätigt auch die aktuelle Studie zwar, dass es weniger Insekten gibt. Sie birgt allerdings Unsicherheiten was das genaue Ausmaß des Sterbens betrifft.

Keine einheitlichen Sammelstellen über die Jahre

Caspar Hallmann von der Radboud University in Nijmegen (Niederlande) und seine Mitarbeiter werteten Daten aus, die seit 1989 vom Entomologischen Verein Krefeld gesammelt worden waren, also von ehrenamtlichen Insektenkundlern. Diese hatten in insgesamt 63 Gebieten mit unterschiedlichem Schutzstatus in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und in Brandenburg Insektenfallen aufgestellt.

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Deutschland: Das Sterben der Insekten

Die meisten Standorte wurden allerdings nur in einem Jahr des Studienzeitraums untersucht, einige in zwei, drei oder vier Jahren. Die Fallen wurden innerhalb einer Saison in regelmäßigen Abständen geleert. Für die Analyse wurde jeweils die Gesamtmasse darin gefangener Insekten bestimmt. Dann verglichen die Forscher, wie sich in einzelnen Lebensräumen – etwa in Heidelandschaften, Graslandschaften oder auf Brachflächen – die Biomasse über die Zeit verändert hatte.

Uneinigkeit über Qualität der Daten

Wie zuverlässig diese Methodik ist, darüber sind sich Forscher uneinig. „Die Tatsache, dass an vielen Probestellen nur einmal Proben genommen wurden, spielt für die Validität der Daten keine Rolle“, sagt etwa Johannes Steidle von der Universität Hohenheim. Dies zeige auch eine Teilanalyse der mehrfach beprobten Standorte. „Sie kommt zum selben Ergebnis wie die Hauptanalyse mit allen Probestellen.“

Alexandra-Maria Klein von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hält das Versuchsdesign dagegen für suboptimal. Man habe Datenlücken mit statistischen Modellen ausgleichen müssen, was zu Unsicherheiten führt. Zudem sei das Gewicht der Proben nicht als Trockengewicht bestimmt worden, was ebenfalls nicht optimal sei. Auch sei nicht geklärt, ob die Zahl einzelner Arten möglicherweise sogar gewachsen sei.

Insgesamt landeten 53,54 Kilogramm wirbellose Tiere in den Fallen – Millionen Insekten. Laut der Auswertung der Forscher hat die jährliche Gesamtmasse im Verlauf der vergangenen 27 Jahre im Mittel um gut 76 Prozent abgenommen. Am stärksten war der Verlust laut den Daten in der Mitte des Sommers, wenn am meisten Insekten herumfliegen. Er betrug knapp 82 Prozent.

Ursache für das Sterben unklar

Auf der Suche nach möglichen Gründen für den Insektenschwund untersuchten die Wissenschaftler etwa den Einfluss von Klimafaktoren, der landwirtschaftlichen Nutzung und bestimmter Lebensraumfaktoren. Die Analyse brachte jedoch keine eindeutige Erklärung.

So gab es insgesamt einen positiven Zusammenhang zwischen Insektenbiomasse und Temperatur – der im Untersuchungszeitraum festgestellte Anstieg der Durchschnittstemperatur von einem halben Grad Celsius sollte sich also, wenn überhaupt, positiv auf den Bestand an Insekten ausgewirkt haben.

Einfluss der Landwirtschaft plausibel, aber nicht belegt

Vermutlich spiele die intensivierte Landwirtschaft samt dem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln sowie der ganzjährigen Bewirtschaftung eine Rolle, erklären die Forscher. Untersucht haben sie dies aber nicht. Fast alle Untersuchungsstandorte – 94 Prozent – waren von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben. Es sei denkbar, dass Insekten in den Schutzgebieten zwar zunächst gediehen, die Insekten dann aber auf den angrenzenden Ackerflächen verschwinden, heißt es in der Studie.

Der Deutsche Bauernverband pocht auf weitere Untersuchungen. „In Anbetracht der Tatsache, dass die Erfassung der Insekten ausschließlich in Schutzgebieten stattfand, verbieten sich voreilige Schlüsse in Richtung Landwirtschaft“, sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken. „Die neue Studie bestätigt und betont ausdrücklich, dass es noch dringenden Forschungsbedarf zum Umfang und den Ursachen des dargestellten Insektenrückgangs gibt.“

Die Forscher sind sich allerdings trotz der Unsicherheiten in der Studie einig, dass weniger Monokulturen sowie größere und mehr Grünstreifen zwischen den Feldern dem Insektenbestand helfen würden.

jme/dpa

Quelle: spiegel.de

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